Der Eremit im Turm? O Seele! So ganz wird das Bild des in seine Sprache gehüllten Dichters dem Leben Friedrich Hölderlins nicht gerecht, wie die aktuelle Ausstellung eines Liebesbriefs von Susette Gontard zeigt.
Der Brief ist eine Leihgabe aus dem Hölderlin-Archiv der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. Die Schweizer Schriftstellerin Ilma Rakusa hat dazu einen Kommentar verfasst, den man auf der Website des Hölderlinturms nachlesen kann.
Insgesamt 17 in feiner geschwungener Handschrift verfasste Briefe von Susette Gontard haben sich in Hölderlins Nachlass erhalten. Es sind Zeugnisse einer geheimen Liebesbeziehung zwischen dem Dichter und der Ehefrau seines Frankfurter Arbeitgebers, in dessen Haushalt er beinahe drei Jahre lang als Hauslehrer verkehrte. Die Manuskripte, die Hölderlin mehr als seine eigenen literarischen Manuskripte behütet und stetig bei sich getragen hatte, führte er sogar in seinem Reisegepäck nach Frankreich mit sich. Sie dokumentieren ein Ringen zwischen Vernunft und Gefühl, zwischen der Erkenntnis, dass die Beziehung auf Dauer nicht bestehen kann, und der fortdauernden Sehnsucht, die einen endgültigen Kontaktabbruch immer wieder hinauszögert.
In der Reihe „Aus dem Archiv geholt“ werden im Hölderlinturm wechselnde Originale aus verschiedenen Sammlungen gezeigt: Manuskripte, Briefe und handschriftliche Dokumente von und an Hölderlin, die für einen kurzen Zeitraum in einer eigens für die Präsentation wertvoller Originale gefertigten Vitrine ausgestellt werden. Jedes dieser Schaustücke wird von einem Gast kommentiert: Forscherinnen und Forscher, Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Leserinnen und Leser gehen den Tintenklecksen und Entstehungshintergründen der Originale auf den Grund und werfen in einem kurzen, essayistischen Begleittext einen individuellen Blick auf die Objekte.